„Everything Everywhere All At Once“ ist einer dieser Filme. Einer, …
- …dessen Name zu holprig ist, um ihn an der Kinokasse korrekt bzw. komplett auszusprechen.
- …dem kein ultrabekannter Cast zu mehr Aufmerksamkeit verhilft.
- …der sich bequem in die Ecke „zu spezielles Asia-Kino“ schieben lässt.
- …der nicht aggressiv in der Oscar-Saison releast wird, um die ein oder andere Trophäe abzustauben.
- …dessen vergleichsweise geringes Budget vor allem ins Endprodukt fließt und nicht maßgeblich ins Marketing oder in Schauspieler-Gagen.
- …der sich offenbar nicht spoilern lässt, weil man sowieso nichts kapieren würde.
- …der selbst experimentierfreudigen Streaming-Diensten zu ausgefallen und bekloppt war.
- …den niemand auf dem Zettel hatte.
- … der sein Publikum spalten und den Mainstream vielleicht nie erreichen wird.
- …der im Vorfeld von Kritikern und YouTubern gefeiert wird und der es trotzdem in kaum ein Kino schafft!
So ist es auch in Chemnitz, wo zum Bundesstart stattdessen „Downton Abbey II: Eine neue Ära“ anläuft. Ein Sequel, basierend auf einer jahrelang etablierten Marke – wie sollte es anders sein. Für Studios, Verleiher, für Kinos, auch für die unbedarften Zuschauer eine sichere Bank. Aber „so viel wie nötig und so wenig wie möglich“ gilt eben nicht für „Everything Everywhere All At Once“, das machen schon Titel und Trailer klar. In diesem Multiversum-Film passiert alles gleichzeitig und überall, in mehreren Universen, jedoch laut Pressestimmen durchaus kreativer, menschlicher und intelligenter als es ein „Dr. Strange 2“ angehen wird (der im stetig wachsenden MCU-Portfolio doch auch einfach eine „sichere Bank“ sein will).
„Everything Everywhere All At Once“ scheint völlig überdreht und audiovisuell herausfordernd zu sein und er scheint an den Sehgewohnheiten der Zuschauerschaft zu rütteln – zumindest erhoffe ich mir das. Hinter dem Projekt stehen die „Daniels“, die sich künstlerisch schon mit „Swiss Army Man“ (Daniel Radcliffe als furzende Leiche, was gibt es schöneres!) ausgetobt haben und die vor keinem Risiko zurückschrecken, um ihrer Vision gerecht zu werden.
Ihr merkt es: Meine Erwartungen sind exorbitant hoch. Auch wenn die Vorfreude nicht so lange reifen konnte wie bei einem frühzeitig angekündigten „Inception“ oder „Tenet“ – dies ist ein Film, den ich einfach lieben WILL. Schließlich sehne ich mich immer nach dem nächsten „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ (mein Lieblingsfilm, absolut nerdig), dem nächsten „Matrix“ (Martial Arts innovativ und eindrucksvoll verpackt) oder dem nächsten „Arrival“ (mutiges Sci-Fi). Oder kann ich mit dieser Erwartungshaltung nur verlieren…? Vielleicht ist „Everything Everywhere All At Once“ ja doch nur ein auf Hochglanz poliertes „Kung Pow“ oder ein vergleichsweise unpopulärer „Parasite“-Verschnitt.
Zumindest ist die Zukunft von „Everything Everywhere All At Once“ ungewiss. Manche sehen ihn als Oscar-Kandidaten für 2023, andere als absolutes Nischenthema. Ein kurioser Film, der schnell wieder von der Bildfläche verschwinden und der höchstens in manch einer „Top 10“-Liste gegen Jahresende auftauchen wird. Er wird seinen Weg in das ein oder andere Heim- und Programmkino finden, da bin ich mir sicher. Aber für den großen Durchbruch oder gar ein Umdenken bei den Produktionsfirmen, die auf Planungssicherheit und etablierte Filmreihen setzen, wird es wahrscheinlich nicht reichen.
Daneben startet in Chemnitz übrigens noch die deutsche Produktion „Wolke unterm Dach“, ein Familiendrama mit Frederick Lau und Hannah Herzsprung – laut den ersten Kritiken berührend, aber durchaus kitschig. Ich wette, auch davon hat bis letzte Woche kaum jemand gehört. Trotzdem ist es verglichen mit „Everything Everywhere All At Once“ offenbar die „sicherere“ Bank. Tja.
Lieblingsfilm-Potential: Hoch, hoch, hoch!! Also, wenn ihr nicht schon beim Trailer denkt: „Was für ein Blödsinn“…
Alternativ-Empfehlung der Woche: Als drittes läuft in Chemnitz noch der kleine, aber durchaus feine „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ an. Eine sehr spannende wahre Geschichte, die übrigens auch das Metropol gleich zum Bundesstart bringt. Vielleicht auch etwas für unsere Filmnächte-Saison im Sommer?
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