Witziger als „Mord mit Aussicht“, subtiler als „Stromberg“ und wahrscheinlich intelligenter als alle 6815 „GZSZ“-Folgen zusammen – „Der Tatortreiniger“ gehört zum Besten, was das deutsche Fernsehen bislang zustande gebracht hat. Dank zahlreichen Preisen und einer geradezu missionarischen Fangemeinde ist die 31-Episoden-Serie längst kein Geheimtipp mehr.

Egal, ob ihr dem kleinbürgerlichen Gebäudereiniger Heiko Schotte schon verfallen seid oder bisher kaum Berührungspunkte mit der kammerspielartigen TV-Serie hattet, hier kommen 5 Tatortreiniger-Folgen, die man unbedingt gesehen habe sollte (in chronologischer Reihenfolge)!

Eine Übersicht zu allen Folgen findet ihr übrigens auf der Website vom NDR.

Schottys Kampf (Folge #7)

Klar doch, der Nationalsozialismus war eine große Idee, die in den Kinderschuhen stecken geblieben ist… Mit solchen Thesen, aber auch mit einer modernen Hakenkreuz-Variante und Grobian ‚Bombe‘ ärgert sich Tatortreiniger Schotty im Hinterzimmer eines Heimatvereins herum. Hier soll er die Überreste eines von der Leiter gestürzten Neonazis wegputzen. Doch damit begnügt er sich nicht…

Dank perfekten Pointen, furios aufspielenden Nebenrollen und einfallsreicher Visualisierung zu Recht eine mit Kritikerlob und Awards überhäufte Folge aus der zweiten Staffel!

Szene aus Tatortreiniger-Folge "Schottys Kampf": Heiko Schotte vor einer Hitler-Büste

Auszeichnungen:

  • Grimme-Preis 2013 in der Kategorie „Unterhaltung“
  • Civis – Europas Medienpreis für Integration 2013 in der Kategorie „Fernsehen/Unterhaltung“

Angehörige (Folge #8)

Kann sich eine Episode zum Großteil in einer Kiste abspielen? Regisseur Arne Feldhusen drohte zuerst am unkonventionellen Drehbuch zu verzweifeln, zauberte dann aber doch ein Glanzstück auf den TV-Bildschirm. Statt Tod, Blut und Dreck trifft der Tatortreiniger in der makellosen Wohnung eines Zauberers auf „Fanny Fee“, einen engen Freund des Verstorbenen. Florian Lukas spielt den Homosexuellen nah am Klischee, letztlich aber doch mit viel Sorgfalt und Profil.

Unterhaltsam beleuchtete Themen wie Elternschaft, Schubladendenken und Selbstwertgefühl machen „Angehörige“ zu einer besonderen Empfehlung, auch wenn die Folge vielleicht der ‚typischste‘ Vertreter in unserer Liste ist.

Szene aus Tatortreiniger-Folge "Angehörige": Heiko Schotte verkleidet mit Zauberei-Utensilien

 

Auszeichnungen:

  • Deutscher Regiepreis Metropolis 2014 in der Kategorie „Beste TV-Serie“ an Regisseur Arne Feldhusen

Der Fluch (Folge #17)

‚Schotty, der Schrecken aller Flecken, der putzt Schnecken aus den Ecken‘ – jep, diesmal sind sind weniger die Denker, mehr die Dichter gefragt! Als ihn sein neuster Auftrag in ein verwunschenes Schloss führt, verdonnert der titelgebende Fluch unseren norddeutschen Putzer dazu, unentwegt zu reimen. Wie sich später ein Gorilla in die Story einreiht und auf welches Wort sich absolut nichts zu reimen scheint, solltet ihr unbedingt selbst erleben!

„Der Fluch“ fällt mit seiner wahnwitzigen Reimkunst völlig aus dem Rahmen und wird gerade deshalb von Fans so gefeiert. Der Erlkönig wäre stolz!

Szene aus Tatortreiniger-Folge "Der Fluch": Heiko Schotte und Episodenrolle erschrecken vor einem Schatten

Auszeichnungen:

  • keine, aber hier braucht’s auch kein solches Geschleime!

Pfirsich-Melba (Folge #21)

Vanilleeis, dazu Pfirsich-Scheibchen und Schlagsahne – selbst wenn Schotty die blutigen Überreste des ermordeten Eiscafé-Besitzers Alfredo wegwischt, dürftet ihr in „Pfirsich-Melba“ Appetit auf leckeres Eis bekommen. Das wahre Highlight ist aber die Episodenrolle von Björn Meyer, der mit viel Fingerspitzengefühl einen unsicheren Autisten spielt. Über eine brenzlige Situation im Kühlraum und die bewegende Auflösung wollen wir an dieser Stelle jedoch nichts verraten.

Was sich in einer gewöhnlichen Eisdiele mit schlagartig wechselnder Tragik, Komik und Suspense abspielt, ist ganz großes Fernsehen!

Szene aus Tatortreiniger-Folge "Pfirsich-Melba": Heiko Schotte mit einem Eisbecher

Auszeichnungen:

  • Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen 2016 in der Kategorie „Bester Schauspieler – Nebenrolle“ an Björn Meyer
  • die vielleicht höchstmögliche Würdigung: Bjarnes persönliche Lieblingsfolge!

Sind Sie sicher? (Folge #25)

So, Verschnaufpause ist vorbei! Nach dem philosophischen Larifari aus den bisherigen Folgen wird jetzt wieder tüchtig geschrubbt – und zwar unter Aufsicht des strengen Geschäftsführers einer Consulting-Firma. Dort werden Toilettengänge per Stoppuhr gemessen und Mitarbeiter mit Psychospielchen an ihre Grenzen getrieben. Auch Tatortreiniger Heiko Schotte sieht sich schließlich damit konfrontiert: Hat sein Chef hier tatsächlich einen Mitarbeiter-Evaluationstest in Auftrag gegeben?

Eine brillant mit Bluffs und Wortwitz gespickte Abrechnung mit karrieregeilen Arbeitstieren und dem Leistungsdenken unserer Gesellschaft. Toll, dass die Serie auch in der vorletzten Staffel noch richtig glänzt!

Szene aus Tatortreiniger-Folge "Sind Sie sicher?": Heiko Schotte sitzt über einem Blutfleck

Auszeichnungen:

  • 2018: Deutscher Menschenrechts-Filmpreis 2018 in der Kategorie „Bildung“ an Drehbuchautorin Ingrid Lausund aka Mizzi Meyer

Sicher habt ihr eure eigene Lieblingsfolge? Oder seid ihr als Neueinsteiger zumindest neugierig geworden? Lest gerne weiter, wenn ihr in der Region Chemnitz wohnt…

Die letzte Staffel zur großen Tatortreiniger-Seriennacht

Dass nicht nur das Filmnächte-Team, sondern auch die Chemnitzer riesige „Tatortreininger“-Fans sind, haben sie 2018 eindrucksvoll bewiesen. Ein bis auf die letzte Bierbank besetzter Theaterplatz, dazu die unermüdlichen Stars Bjarne Mädel und Arne Feldhusen live vor Ort – unvergesslich.

Filmnächte-Team zusammen mit Regisseur Arne Feldhusen und Schauspieler Bjarne Mädel

Was soll man anderes sagen als: DANKE für diesen Abend, danke für diese Serie!

Dieses Jahr (am Dienstag, den 6.8.) wird die finale Staffel gezeigt. Richtig gehört, nach insgesamt 31 Folgen ist leider endgültig Schluss. Für das große Serienfinale, die unkonventionelle „Einunddreißig“, gab es sogar noch eine Grimmepreis-Nominierung für die „Kunst, eine Serie zu beenden“.

Außerdem tauchen dort allerhand bekannte Gesichter (25 Figuren!) aus früheren Staffeln auf. Sogar Regisseur Arne Feldhusen hat einen Mini-Auftritt.

Vor dem Finale: Diese Folgen sollte man noch gesehen haben

Die obenstehenden 5 Empfehlungen sind bereits ein gutes Fundament, aber folgende Episoden solltet ihr euch zusätzlich reinziehen, um möglichst viele Anspielungen der letzten Staffel mitzunehmen:

  • Ganz normale Jobs (Folge #1): Damit fing 2011 alles an! Und die Eröffnungsfolge macht heute immer noch großen Spaß. Einen Anteil daran tragen auch zwei Ermittler aus „Polizeiruf 110“, deren Cameo-Auftritte sich bis zum Serien-Ende durchziehen.
  • Bestattungsvorsorge (Folge #19): Die beiden zankenden Bestatter sind wohl die am häufigsten auftretenden Sidekicks, die hier eine komplette Folge spendiert bekommen. Natürlich schneien sie auch in der allerletzten Episode vorbei.
  • Freunde (Folge #24): Eine illustre Clique besteht rund um den Tatortreiniger, die man hier auf amüsante Weise kennenlernt. In Folge #29, „Rebellen“, kommen die Freunde abermals zusammen und philosophieren über -haltet euch fest- Filzgleiter.
  • Anbieterwechsel (Folge #22): Ständig wird über sie gesprochen: Schottys Angebetete, Merle. Am Ende von „Anbieterwechsel“ begegnen wir ihr endlich und fiebern bei einer Liebeserklärung mit… Im Serienfinale spielt sie dann eine Schlüsselrolle.
Jakob Nützler

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