Als ich erstmals vom Konzept hörte, zusätzlich zu 23 Minuten Werbung verschiedenen sozialen (?) Projekten vorm Publikum ein Podium zu geben, war ich… skeptisch. Bei den Filmnächten will ich mich ausgiebig mit Freunden unterhalten, die Weinkarte durchprobieren und anschließend einen Film genießen, ohne jedes Mal gleich die Welt retten zu müssen.

Was denn jetzt noch…

Und wenn man nicht gerade das Charisma von Bjarne Mädel besitzt oder zufällig Regisseur des gezeigten Film ist, hören die Besucher einem wirklich zu? Die mäßig besuchten „Theaterplatz-Gespräche“ sowie unsere Moderation als Programmbeirat aus dem Vorjahr ließen mich zweifeln. Zudem kam „TUN“ kurz vor Saisonstart etwas ‚holterdipolter‘ ins Spiel und erschien mir erklärungsbedürftig (tatsächlich berichtete die Freie Presse zuerst mit Buchstabendreher „15 Minuten TON“ darüber).

Dinge, die gehört gehören!

Seit August 2019 ist es nun aber Realität, dass sich vor jeder Filmvorführung Vereine, Initiativen oder auch Privatpersonen mit ihren Herzensdingen präsentieren – und es funktioniert! Man wird nicht um seinen filmischen Feierabend gebracht, sondern erfährt ganz nebenbei, wofür sich Chemnitzer einsetzen, wofür sie brennen und was sie so halt so tun. Und darf das unterstützen, muss aber nicht.

Schon jetzt wird deutlich: „TUN – 15 Minuten für dein Projekt“ könnte ein fester Baustein des Filmnächte-Erlebnisses werden, auf den man als Gast immer wieder gespannt sein darf. Ein paar Eindrücke:

Persönliche Lieblingsprojekte des Kuratoriums

Für das stimmige TUN-Programm verantwortlich ist natürlich das fünfköpfige, ehrenamtlich engagierte Kuratorium. Mich hat interessiert: Bei den vielen Bewerbungen, welcher Kurator wollte welches Projekt unbedingt dabei haben? Lassen wir sie einfach mal zu Wort kommen…

Spendensparschwein Rosalie

Isabelle Weh, Leiterin des Fritz-Theaters in Chemnitz

Müsste ich ein Lieblingsprojekt wählen, wäre es das Spendenschwein Rosalie. Es erfüllt im Kleinen alle Kriterien für TUN, macht einen Menschen für einen kleinen Zeitraum glücklicher; jemand tut aktiv mit seinen Möglichkeiten etwas für andere und beweist, dass man einfach loslegen kann, ohne einen richtigen Verein oder eine Institution im Rücken zu haben. Meine persönliche Meinung ist eh, wenn jeder darauf achten würde, dass es den Leuten im eigenen Umkreis gut geht, dann würden diese Kreise immer weitere Kreise schlagen, bis sie irgendwann wieder bei uns selbst ankommen.

KARREE49

Malte Ziegenhagen, Kapitän der Niners Chemnitz

Für mich ist das KARREE49 ein sehr interessantes Projekt. Wie auch ich selbst, hat es sich zum Ziel gesetzt, auf dem Sonnenberg etwas zu bewegen und aufzubauen. Ich bin gespannt, wie die Organisatoren das Projekt planen und bezahlen, aber auch wie es möglicherweise einen Großteil der Einwohner des Sonnenbergs verpflegen kann. Gibt es Ideen, lokale Bürger mit einzubeziehen oder ist es ein autonomes Projekt, das als Privatunternehmen zu verstehen ist? Auf jeden Fall freue ich mich riesig, dass dieses Projekt bei TUN dabei ist.

Solidarische Landwirtschaft

Christian Fuchs, Journalist

Ich mag am meisten die Solidarische Landwirtschaft „Hof zur bunten Kuh“. Dort kommen Menschen zusammen, pflanzen, jäten und ernten gemeinsam an der frischen Luft. Wer miteinander Gemüse anbaut, hasst sich nicht. Und am Ende gibt es auch noch eine leckere Belohnung – fair und regional produziert.

Wahlkampf für die Demokratie

Ulrike Nimz, Journalistin

Besonders überzeugt haben mich die Buntmacher*innen und ihre Idee eines überparteilichen Haustürwahlkampfes, mit dem sie Nichtwähler überzeugen wollen, am 1. September doch noch ihr Kreuz zu machen. Zum ersten Mal gehört habe ich von der Initiative nach den rassistischen Ausschreitungen im August 2018, ich war als Reporterin vor Ort. So erschreckend die Ereignisse vor einem Jahr waren – sie haben auch dazu geführt, dass mehr Menschen Haltung zeigen und überlegen, wie sie das Leben in der Stadt mitgestalten können. Ich selbst habe fünf Jahre lang in Bernsdorf gewohnt und mag das Viertel noch immer. Auch deshalb ist mir das Projekt nah.

Lukas Stern e.V.

Michael Claus, Festivalleiter der Filmnächte Chemnitz

Neben dem bereits genannten Spendenschwein Rosalie ist mein Favorit der Lukas Stern e.V., deren Einsatz mich sehr berührt hat. Sie arbeiten beständig mit schwerkranken Menschen -vorwiegend Kindern- und erfüllen, unter sicher starken emotionalen Belastungen, deren manchmal auch letzte Wünsche. Ich habe selber Kinder und bin zutiefst betroffen von dem, was diese Familien durchmachen. Momente von Glück zu schenken, Beistand zu leisten und Wegbegleiter zu sein, ist eine kaum zu würdigende Leistung und zeigt ein Maß an Mitmenschlichkeit, das nachdenklich, demütig und zugleich Mut macht. Ich möchte dem Lukas Stern e. V. im Namen des gesamten Filmnächte- und TUN-Teams danken und hoffe, dass unser Beitrag dabei hilft, diese wichtige Arbeit zu unterstützen.

„Erwähnen möchte ich noch, dass ich glücklich darüber bin, dass unsere Besucher zum großen Teil aufmerksam die Projektvorstellungen verfolgen und jeden Tag Spenden gesammelt werden konnten. TUN wirkt! Mein Dank gilt überdies allen, die an TUN mitwirken, hervorgehoben sei mein Mitinitiator Volker Tzschucke / Zauberberg Medien und meine Mitstreiter im Kuratorium, welche sich allesamt ehrenamtlich engagieren.“ (Michael Claus, Festivalleiter der Filmnächte Chemnitz)

Im August 2019 wurde aus einer Idee auch Wirklichkeit: Festivalleiter Michael Claus und Mitinitator Volker Tzschucke zeigen die TUN-Spendenbox

Jakob Nützler

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