Spätestens seit Roberto Benigni im Jahr 1997 mit dem Streifen „Das Leben ist schön“ den schon fast revolutionären Versuch unternommen hat, dem nach wie vor Grauenhaften von Krieg, Vertreibung und Völkermord durch eine für damalige Verhältnisse gewagte, aber aus heutiger Sicht berechtigte Betrachtungsweise einen anderen, als den zerstörerisch-anklagenden Blick zu geben, scheint sich in der Cinematografie herumgesprochen zu haben, dass dies ohne Gesichtsverlust und vor allem ohne Grauen zu bagatellisieren möglich ist. Beredte Beispiele jüngeren Datums sind Filme wie „JoJo Rabbit“ oder „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“.

Nun hat der Film „Der Pfad“, eine cineastisch umgesetzte Geschichte auf dem Weg ins Exil, um Verfolgung und möglichem Tod in Deutschland zu entgehen, das Licht der Leinwand erblickt. Erzählt wird die Geschichte aus dem Blick des kleinen Jungen Rolf, der gemeinsam mit seinem Vater der bereits im Exil weilenden Mutter folgen will; schon bald aber geschieht das erwartbare Unglück und der Vater wird festgenommen. Nun ist Rolf allein auf sich gestellt, lediglich begleitet von einem ebenso kleinen Mädchen, das sich aber wenigstens in der Gegend auskennt. Mehr von der Handlung, die mit großer Ernsthaftigkeit aber eben doch aus dem Blickwinkel von Kindern den Weg weiter über die Grenzen schildert, soll nicht gespoilert werden.

Rolf wird gespielt von Julius Weckauf; spätestens bei dem Namen müssten sich bei vielen Cineasten bestimmte Synapsen verdrahten, denn Weckauf ist genau der, der mit „Der Junge muss an die frische Luft“ dem Drei-Käse-hoch Hape Kerkeling ein Kino-Kinderleben eingehaucht hat, welches wahrscheinlich Kerkeling selbst nicht einmal hatte.

Julius Weckauf und Nonna Cardoner auf der Flucht

Und der rezensierende Kinofilm-Beschauer kann alles, aber nicht verhehlen, dass auch in diesem Genre, das ja die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Augenzwinkern geradezu als Existenzberechtigung benötigt, Julius Weckauf alles rausholt, was sehenswerter Film zu bieten haben sollte (vielleicht, aber das ist nur ein klitzekleiner Einwand, ist er für die Rolle etwas zu füllig). Nun werden die Kritiker sicher wieder zu bemängeln haben, dass das Thema viel zu ernst sei, um seine Späße damit zu machen. Richtig, kann der Kinofilm-Beschauer dazu nur sagen, denn es macht auch niemand unangemessene Späße. Aber man darf ganz sicher belastbar davon ausgehen, dass bei aller Not, Pein, Trauer und auch Angst Kinder in damaliger Zeit eben einen anderen Blick hatten, so wie Kinder heute einen anderen Blick zum Beispiel auf eine Pandemie haben. Und nur das macht der Film deutlich. Und das tut er mit Fingerspitzengefühl, einem sympathischen Augenzwinkern und trotzdem nicht zu kurz kommender Ernsthaftigkeit. Das Urteil: gelungen und sehenswert.

Ach übrigens, ehe es in Vergessenheit gerät: Schön, dass es auch neben den Unmengen in „Denglisch“ bezeichneter Filme noch solche gibt, die genau so heißen, wie ihre Handlung verspricht – mit anderen Worten, der Name „Der Pfad“ ist ein zu dem Film passender wohltuender Nebeneffekt.

Lieblingsfilm-Potential: Da der Kinofilm-Beschauer nur recht wenige Filme kennt, die für ihn in diese Rubrik fallen, liegen die Hürden hier ziemlich hoch und um es offen zu sagen, überspringt diese Hürden „Der Pfad“ nicht. Aber auf einen Platz im guten Mittelfeld kommt er ohne Probleme…

Alternativ-Empfehlung der Woche: Was können die besten Bergsteiger in ihren besten Jahren leisten? Eine der Fragen aus der Outdoor-Doku „Der Alpinist“ – eine mögliche Antwort: Solo-Besteigungen! Was für ambitionierte Hobby-Berggänger wie ein Himmelfahrtskommando erscheinen mag, ist für diese Menschen das kalkulierte Risiko, um das intensive Berg-Gefühl zu erleben und um (nebenbei) die Grenzen der Machbarkeit zu verschieben. Obwohl es im Film um Marc-André Leclerc geht, haben wir auch ein Auge auf das langfristige Vorhaben von Jost Kobusch. Jost Kobusch ist ebenfalls ein Solo-Bergsteiger mit vielen Erfolgen. Eines seiner Langzeitprojekte ist die Solo-Besteigung des Mt. Everest, an welcher er aktuell im Himalaya (siehe FAZ) arbeitet. Aufgrund dieser beeindruckenden Vorhaben beinhalten solche Projekte wie „Der Alpinist“ interessante Einblicke in die Persönlichkeiten dieser Menschen. Wir freuen uns, diesen Film als Kandidaten für unsere TERRA-Sparte in der engeren Auswahl zu haben.

„Der Alpinist“ bietet nicht nur, aber natürlich auch: wundervolle Gipfel-Aufnahmen voller Eis und Schnee.
Stefan Tschök

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